Vereinsleben (Teil VI) – Die Kneipe

Kneipenerinnerung

Ach ja. Neues Semester. Neues Wohnheim. Alles frisch, alles neu und unbekannt. Doch alles, was Fremd war, wurde kennengelernt. Auf der Hausversammlung stellte sich jede*r vor und die wichtigsten Regeln des Zusammenlebens wurden erklärt und einige Tage später wurde das Semesterprogramm vorgestellt. Semesterantrittsgottesdienst, wissenschaftliche Sitzungen alles klar soweit.

Doch was ist eine Kneipe? Werden wir alle gemeinsam in eine Kneipe gehen? Nein, da steht etwas von hochoffiziell. Also schick gekleidet. Gehen wir in eine schicke Bar? Huch! Das findet ja im Haus statt (erst später lernte ich den Begriff „adh“). 

„Was ist denn eine Kneipe?“ fragte ich meine Nebensitzerin. Sie erklärte: „Ja also da sitzen wir alle zusammen im Keller. Vorne steht das Präsidium. Das sind der Senior und die Prima mit ihren jeweiligen Chargen, beide halten eine Rede und im Laufe dieser Rede wird auch viel gesungen und getrunken. Also das ist schon etwas ganz spezielles und die meisten, denen man das versucht zu erklären, schauen genauso verdutzt wie du, aber schau es dir einfach selbst an.“

Nun gut. Singen und trinken klingt doch ganz nett, um eine Foltermethode kann es sich also garantiert nicht handeln.

Ein paar Tage später war es so weit. Nachdem ich mich erkundigt hatte, ob mein Outfit dem Anlass gerecht wird, schwand die Angst, die Nervosität blieb jedoch, denn es gibt Regeln, an die man sich halten muss: „Ja also, du wohnst ja noch nicht so lange hier, deswegen ist es nicht so schlimm, wenn du die Regeln anfangs noch nicht kennst. Wichtig ist, dass du während der ganzen Veranstaltung nicht herumlaufen kannst, sondern auf deinem Platz bleiben musst. Auch solltest du versuchen, dir deinen Bierkonsum weise einzuteilen, damit du nicht auf’s Klo musst, weil du ja das umherlaufen eigentlich unterlassen sollst. Wenn du doch ganz dringend musst, kannst du in einer der Pausen ein tempus utile beantragen. Aber mach dir keine Sorge. Ich erkläre dir alles, während der Kneipe gerne genauer.“

Es wurde Zeit, sich zu setzen. Alle wurden mit Bier versorgt und dann wurde auch schon das Licht gedimmt. „Zum Einzug des Präsidiums: Corona hoch! Bierorgler ich bitte um einen adäquaten Marsch!“, rief einer meiner Mitbewohner. Die Person am Keyboard fing an eine Marschmelodie zu spielen und alle klatschten. Sechs andere Mitbewohner*innen betraten nun den Raum und liefen nach vorne zu den für sie vorbereiteten Tischen. Sie eröffneten die Kneipe, indem sie mit stumpfen Schwertern auf den Tisch schlugen (später erfuhr ich, dass auch daher die Phrase „eine Kneipe schlagen“ stammt). Als nächstes wurden alle Anwesenden an die herrschenden Regeln erinnert und was hörte ich da? Latein… die Regeln wurden auf Latein erklärt (im Folgenden auch ins Deutsche übersetzt, aber das war für mich in dem Moment vollkommen irrelevant). Die Sprache, die mir so viel bedeutete, dass ich sie studierte. Plötzlich breitete sich ein warmes Gefühl in mir aus. Liegt es am Bier? Kann eigentlich nicht sein. Ich hatte erst zwei. Ich glaube… ich glaube, ich werde mich hier wohl fühlen. 

Im Anschluss wurden alle begrüßt, es wurden viele Lieder gesungen, von denen einige auch auf Latein waren (Gaudeamus igitur ist immer noch eins meiner Lieblingslieder) und es wurde angestoßen und getrunken. Einen kurzen etwas ernsteren Moment gab es auch, in dem die Prima und der Senior ihre Gedanken zu einem der Prinzipien des Unitas-Verbandes teilten. 

Der restliche Abend verlief noch feucht fröhlich und ich zeigte mich während der Kneipe und im Anschluss anscheinend so begeistert, dass man mir direkt einen Deckel vorlegte. Euphorisch unterschrieb ich ihn. 

Dieser Abend ist eine meiner schönsten Erinnerungen, die ich während meiner Zeit auf dem Unitas-Haus erfuhr. 🙂